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Das Scheitern: Unsere größte Angst und doch der Schlüssel zu unserem Erfolg

  • Autorenbild: Christoph Bally
    Christoph Bally
  • 20. Feb.
  • 5 Min. Lesezeit

coachrgroup gmbh - Christoph Bally

 



In Unternehmen wird Leistung oft mit der Idee der Perfektion in Verbindung gebracht: keine Fehler zu machen, seine Ziele ohne Fehler zu erreichen, sich ohne Probleme zu übertreffen.

Diese kulturelle Sichtweise steht jedoch im Widerspruch zu den grundlegenden Funktionen des menschlichen Gehirns. Die Neurowissenschaft zeigt uns, dass unser Gehirn dank eines wesentlichen Mechanismus aufgebaut ist und sich weiterentwickelt: Versuch und Irrtum. Fehler zu machen, sie zu analysieren, unsere Herangehensweisen anzupassen – so lernen und verbessern wir uns von Geburt an.

 

Auf individueller Ebene lädt diese Realität ein, uns angesichts von Fehlern und Versagen von Schuld freizusprechen. Sie sind Teil unseres Lern- und Entwicklungsprozesses. Es kommt also nicht auf die Abwesenheit von Fehlern an, sondern auf unsere Fähigkeit, zurückzuschlagen, zu korrigieren und uns anzupassen. Thomas Edison sagte: "Ich habe nicht versagt. Ich habe einfach 10.000 Möglichkeiten gefunden, die nicht funktionieren.“

 

Auf kollektiver Ebene ist es für Unternehmen von strategischer Bedeutung, Misserfolge oder Fehler zu akzeptieren, ohne sie zu bestrafen, um Kreativität, Innovation und Engagement zu fördern. Eine Gallup-Studie zeigt, dass Mitarbeiter, die sich sicher fühlen, Fehler zu machen, dreimal engagierter in ihrer Arbeit sind. Umgekehrt weisen Umgebungen, in denen Fehler schlecht wahrgenommen werden, eine um 25 % höhere Fluktuation sowie eine hohe Burnout-Rate auf (McKinsey, 2021).

In diesem Artikel wird untersucht, wie Fehler und Versagen nicht auf unsere Inkompetenz zurückzuführen sind, sondern letztlich auf die Art und Weise, wie unser Gehirn arbeitet und lernt, um uns Fortschritt und Erfolg zu ermöglichen.

 

1. Das menschliche Gehirn: Eine Trial-and-Error-Maschine

Das Gehirn funktioniert als komplexes adaptives System. Zwei Hauptmechanismen erklären, warum Fehler im Mittelpunkt seiner Funktionsweise stehen:

·        Neuroplastizität: Der Begriff neuronale Plastizität beschreibt den Umbau neuronaler Strukturen in Abhängigkeit von ihrer Aktivität. Die neuronale Plastizität kann einzelne Nervenzellen oder ganze Hirnareale betreffen. Sie dient dazu, die Funktionen des Nervensystems zu erhalten, anzupassen und ggf. zu erweitern. Dieser biologische Prozess ermöglicht es dem Gehirn, sich als Reaktion auf Erfahrungen neu zu konfigurieren. Wenn ein Fehler gemacht wird, aktiviert er bestimmte Gehirnbereiche, die es uns ermöglichen, Misserfolge zu analysieren und Anpassungen vorzuschlagen. Jeder Fehler oder jeder Misserfolg führt so schrittweise zu einem angemesseneren Verhalten.

·        Belohnungsschaltkreise: Wenn ein Fehler erfolgreich korrigiert wird, setzt das Gehirn Neurotransmitter wie Dopamin frei und stärkt so das Lerngedächtnis. Dieser Prozess inspiriert uns, es erneut zu versuchen und fördert das Durchhalten. Neurowissenschaftliche Studien zeigen, dass gut gemanagte Fehler die Fähigkeit des Gehirns erhöhen, neue Lösungen zu finden und effizientere Wege zu entdecken.

 

Diese Mechanismen bestätigen die Theorieen von David Kolb, einem Spezialisten für erfahrungsorientiertes Lernen, der erklärt, dass Lernen ein Zyklus von Versuch, Beobachtung und Anpassung ist. Ohne Fehler gibt es kein Wachstum und keine Innovation.

 

Wechseln der Perspektive: Irrtum und Scheitern bedeuten nicht Inkompetenz

Während neurowissenschaftliche Mechanismen zeigen, dass Fehler und Versagen wesentliche Lernhebel sind, die dem menschlichen Funktionieren inhärent sind, bleiben unsere sozialen und beruflichen Wahrnehmungen weitgehend voneinander getrennt. Das Scheitern wird oft mit einem Zeichen von Inkompetenz gleichgesetzt. Diese negative Sichtweise wird oft von Bildungssystemen übernommen, in denen die Leistung auf der Abwesenheit von Fehlern und nicht auf progressivem Lernen beruht.

 

Diese Ansätze blockieren jedoch Innovationen und verlangsamen die Risikobereitschaft, die für jeden Fortschritt notwendig ist: 68 % der Mitarbeiter nennen die Angst vor dem Scheitern als Hauptstressquelle, die ihre Kreativität und Innovationsfähigkeit hemmt (Deloitte-Studie).

Um diese negative Wahrnehmung zu überwinden, ist es wichtig, die verschiedenen Konzepte zu klären, um einen realistischeren Ansatz zu zu übernehmen.

 

·        Fehler = Eine falsche, korrigierbare und lernerzeugende Handlung oder Beurteilung.

·        Scheitern = "Negatives Ergebnis eines Versuchs" oder "mangelnder Erfolg": Hierbei handelt es sich um eine vorübergehende Unfähigkeit, ein Ziel zu erreichen, die oft Teil eines Verbesserungsprozesses ist.

·        Mangelnde Leistung = Eine unzureichende Nutzung der verfügbaren Fähigkeiten, die oft mit organisatorischen oder persönlichen Kontexten zusammenhängt.

·        Inkompetenz = Eine langfristige oder strukturelle Behinderung, die in vielen Fällen durch Training und Erfahrung überwunden werden kann.

 

Die innovativsten Unternehmen wie Google oder IDEO haben verstanden, dass es das Experimentieren und die Akzeptanz von Fehlern und Misserfolgen sind, die zu dauerhaften Ergebnissen führen, im Gegensatz zu einem Streben nach Leistung oder absoluter und utopischer Perfektion.

 

 

Scheitern ist ein Schritt zum Erfolg: 8 Bedingungen, um es in einen Leistungshebel zu verwandeln

 

Die vielen Misserfolge von Thomas Edison, Steve Jobs, Walt Disney und J.K. Rowling bezeugen und sollten uns nachdenken lassen, wie wir uns selbst zu hart beurteilen: Wenn sie nicht Selbstzweck sind, sind sie entscheidende Schritte zum Erfolg.

 

Auf individueller Ebene: 

·        Einnahme eines Growth Mindset (von Carol Dweck entwickeltes Konzept "Growth Mindset" versus "Fixed Mindset"): Nehmen Sie Fähigkeiten als sich entwickelnd und perfektionierbar wahr und Scheitern als konstruktiven Schritt in einem Lernprozess.

·        Strukturierte Selbstreflexion in drei Schritten (Gibbs-Modelle, Kolb-Modelle, Konzept der Metakognition...) : 1. Identifizieren, was trotz allem gut funktioniert hat 2. Erkennen, was zu dem Fehler geführt hat 3. Formulieren einer konkreten Strategie, um eine Wiederholung dieser Situation zu vermeiden.

·        Verbessern der Resilienz und der Fähigkeit sich aktiv wieder aufzurichten (Martin Seligmans Theorie des "optimistischen Lernens", Julian Rotters "Lotus der Kontrolle...): nicht in die Fallen des Urteilens und Grübelns zu tappen und unsere Aufmerksamkeit darauf zu richten, wieder auf die Beine zu kommen, indem wir einen konkreten Aktionsplan aufstellen.

·        Holen Sie sich aktiv konstruktives Feedback von Ihren Kollegen oder Vorgesetzten.

 

Im Unternehmen: Auf dem Weg zu einem neuen Management-Paradigma - über die Kultur der Perfektion hinausgehen! ✨

·        Schaffung von "psychologischer Sicherheit" in Teams (Amy Edmondson, Harvard): Förderung eines Klimas des Vertrauens und einer offenen Kommunikation über Fehler, um die Angst vor dem Scheitern abzubauen und Eigeninitiative zu fördern.

·        Fördern von furchtlosem Experimentieren: Einrichten von "Testbereichen" oder Pilotprojekten, um neue Ideen zu testen mit dem ausdrücklichen Recht, Fehler zu machen.

·        Fördern von kollektivem Lernen : Formalisieren von Feedback nach jedem Projekt. Laut PwC (2021) verzeichnen Unternehmen, die Wert darauf legen, aus Fehlern zu lernen, eine Produktivitätssteigerung von 30 %.

·        Fördern einer Kultur des regelmäßigen Feedbacks, um verbesserungswürdige Bereiche zu identifizieren, ohne Angst vor Verurteilung, und fördern von kontinuierlichem Lernen.

 

Schlussfolgerung

Wenn wir Fehler und Misserfolge als das betrachten, was sie wirklich sind – wesentliche Lernschritte für den zukünftigen Erfolg – sollte sich die Art und Weise, wie wir diese Erfahrungen wahrnehmen und damit umgehen, grundlegend verändern. Dadurch können sie nicht mehr als Dramen, Anomalien oder Zeichen von Inkompetenz gesehen werden, sondern als Chancen für Wachstum und Fortschritt. Neurowissenschaften, Psychologie und sogar Philosophie bestätigen, dass Versuch und Irrtum ein wesentlicher Treiber des Fortschritts sind.

 

Was den Unterschied ausmacht, ist nicht das Scheitern selbst, sondern die Art und Weise, wie wir es leben, daraus lernen und wieder auf die Beine kommen. Auf der individuellen Ebene erfordert dies eine Abkehr von der Verurteilung, gegenüber sich selbst und anderen, hin zu einer proaktiven und konstruktiven Haltung –  das ist eine Verantwortung, die voll und ganz auf uns fällt.

Auf kollektiver Ebene erfordert dies die Überwindung des Mythos einer Leistungskultur, die auf der Abwesenheit von Fehlern oder Irrtümern basiert, die Wagemut hemmt und Initiativen stigmatisiert. Vor allem Führungskräfte werden bei diesem Wandel eine entscheidende Rolle spielen: Ihr Erfolg wird von ihrer Fähigkeit abhängen, Misserfolge als Hebel für das Lernen zu schätzen, ihre Teams voranzubringen und diese Momente der Herausforderung in Treiber für Exzellenz, Engagement und Innovation zu verwandeln.

 

"Scheitern ist einfach eine Gelegenheit, neu anzufangen, diesmal auf eine intelligentere Art und Weise." – Henry Ford

 

 "Erfolg ist die Fähigkeit, von Misserfolg zu Misserfolg zu gelangen, ohne die Begeisterung zu verlieren." – Winston Churchill

 
 
 

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